09.06.25 t/redaktion b/privat
Die Leipziger Meuten und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Während sich Nazi-Deutschland in Gleichschritt und Gehorsam hüllte, liefen in Leipzig Jugendliche mit kurzen Lederhosen, karierten Hemden und rotzfrecher Haltung quer zum System – die Leipziger Meuten. Keine Organisation, kein Verein, sondern lose Cliquen, die ihre eigene Vorstellung von Freiheit hatten – und diese ziemlich offen zelebrierten.
Zwischen Rebellion und Lebenshunger
Ab Mitte der 1930er Jahre bildeten sich in Leipzig rund 20 solcher Gruppen. Ihr gemeinsamer Nenner: ein unbändiger Drang nach Selbstbestimmung – und eine ordentliche Abneigung gegen die Hitlerjugend. Viele Meuten-Mitglieder kamen aus der Arbeiterklasse, einige waren vorher in der verbotenen Sozialistischen Arbeiterjugend oder der Kommunistischen Jugend aktiv. Als der Nazi-Staat alles unter Kontrolle bringen wollte, begannen sie, sich dem zu entziehen – mit Musik, eigenen Codes und provokantem Auftreten.
Dabei bestanden die Meuten, im gegensatz zu anderen Jugendorganisationen, nicht nur aus Jungs – bis zu ein Drittel der Mitglieder waren Mädchen, die sich in verschiedensten der circa 20 Gruppen wiederfanden. „Reeperbahn“ (Lindenau), „Hundestart“ (Kleinzschocher) oder „Lille“ (Reudnitz) nannten sie sich, schmückten sich mit roten Halstüchern und zeigten sich klar antifaschistisch.
Von provokant zu politisch
Was als kultureller Widerstand begann – andere Musik, andere Kleidung, eigene Sprache – wurde schnell politisch. Die Meuten verteilten Flugblätter, in denen sie das NS-Regime verhöhnten („HJ verrecke“) und störten HJ-Veranstaltungen. In Connewitz wurden Nazi-Plakate zerstört, in Lindenau flogen Steine gegen das HJ-Heim. Spätestens da wurde klar: Das hier war keine Jugendbewegung mit bunten Halstüchern, das war aktiver Widerstand.
Die Gestapo hatte die Gruppen längst auf dem Radar. 1937 liefen erste Ermittlungen, noch zögerlich. Aber ab 1938 wurde es ernst: Prozesse, Anklagen, Zuchthaus. Allein im Oktober 1938 verurteilte der Volksgerichtshof mehrere Meuten-Mitglieder wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. Später folgten Umerziehungslager wie das berüchtigte „Jugendschulungslager“ in Mittweida – mehr KZ als Pädagogik.
Unbeeindruckt davon machten die Meuten weiter. Immer wieder bildeten sich neue Gruppen. Insgesamt waren wohl um die 1.500 Jugendliche beteiligt – ein bemerkenswerter Gegenentwurf zur staatlich verordneten Duckmäuserei.
Ein Denkmal für die Unbeugsamen
Nach 1945? Schweigen. In der DDR passten die Meuten nicht ins offizielle Widerstandsnarrativ. Zu wenig organisiert, zu unangepasst, zu unlenkbar. Erst spät – ab den 2000er Jahren – wurde ihre Geschichte intensiver aufgearbeitet. Inzwischen würdigen verschiedene Initiativen ihren Mut, ihre Haltung und ihren Beitrag zur antifaschistischen Erinnerungskultur. Seit dem 25. April 2025 ist es zudem im Stadtbild sichtbar: das „Meuten Memorial“ am Lindenauer Markt. Ein Denkmal für die, die sich nicht beugen wollten – errichtet dort, wo früher einer ihrer Treffpunkte lag. Es erinnert daran, dass Widerstand nicht immer organisiert oder parteitreu sein muss. Manchmal reicht Haltung. Und ein karierter Hemdkragen.