25.08.25t/redaktionb/stefan kostić
Serbiens Protestwelle im Spiegel gesellschaftlicher Widerstandskraft
Seit November 2024 knallt es in Serbien – ein Aufstand, der tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und die Frage aufwirft: Wie viel Demokratie ist ein Land bereit zu verlieren, bevor es aufsteht? Die Antwort lautet: noch nicht genug. Doch der Widerstand wächst, und er ist vielfältiger, entschlossener und standhafter denn je.
Vom Dacheinsturz zur Demokratiekrise
Der Auslöser war tragisch schlicht: Am 1. November 2024 stürzte das Vordach des Bahnhofs in Novi Sad ein, 16 Menschen starben. Die Ursache? Mutmaßliche Korruption im öffentlichen Bauwesen. Die Reaktion? Ein landesweiter Aufschrei. Studierende, Arbeiter:innen, Landwirt:innen und Bürger:innen gingen gemeinsam auf die Straße – nicht nur wegen des Unglücks, sondern wegen eines Systems, das Leben gegen Profit verrechnet. Sie wollen nicht länger akzeptieren, in einem Land ohne Pressefreiheit und ohne unabhängige Justiz zu leben.
Abertausende haben genug von einem Staat, der sie als Spielball politischer Interessen betrachtet. Die Forderungen nach einem Rücktritt von Minister:innen, dem Rückbau des zunehmend autoritären Regimes und der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit werden lauter. Als Ultimatum von Seiten der Demonstrierenden wurden Neuwahlen bis spätestens 2026 genannt. Doch der Weg wird steiniger.
Was haben Hooligans damit zu tun?
Hooliganismus in Serbien ist kein isoliertes Phänomen, sondern das Ergebnis politischer Instrumentalisierung. Schon in den 1980er-Jahren setzten jugoslawische Geheimdienste gewaltbereite Fußballfans für eigene Zwecke ein. Schlägertrupps fungierten nicht nur als gelenkte Einschüchterungsmaschinerie, sondern waren Teil eines Netzwerks, das gezielt Einfluss auf die Gesellschaft ausübte.
Auch heute sind sie tief in politische und kriminelle Strukturen eingebunden und nutzen ihre Präsenz auf den Straßen Berichten zufolge, um Protestierenden Angst zu machen oder gar die Nase zu brechen. Ihr Auftreten trägt entsprechend zur Eskalation des Konflikts bei und unterstreicht die Bereitschaft des Staates, Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen.
Standhaft für demokratische Werte
Die Frage, ob die Protestierenden ihr Leben aufs Spiel setzen, um demokratische Prinzipien zu schützen, beantwortet sich damit von selbst. Sie riskieren ihre Freiheit und ihre Sicherheit für eine bessere Zukunft und stellen sich gegen angestachelte Polizeibeamte, nationalistische Hools und ein Regime, das sie als Bedrohung sieht und auch entsprechend behandelt. Sie kämpfen für ein Serbien, das nicht nur in der Vergangenheit lebt – ein Serbien, das nicht von Korruption und Gewalt regiert wird, sondern von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit.
Serbiens Proteste sind mehr als nur ein Aufstand, sie sind ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Widerstandskraft. Sie zeigen, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern verteidigt werden muss, und sie zeigen vor allem, dass der Wille zur Veränderung stärker ist als die Angst vor Repression.