Bild zweier Generationen, jung und alt, die sich über Wohnen für Hilfe kennenlernten

03.11.25 t/redaktion b/tanner mardis

Wie das Projekt „Wohnen für Hilfe“ Generationen vereint

Mietpreise wie Höhenluft, gesellschaftliche Entfremdung inklusive: Großstadtleben kann gleichzeitig pulsieren und isolieren. „Wohnen für Hilfe“ (WfH) setzt genau dort an und bietet ein Modell, das verbindet und erfrischende Alternativen zur Wohn- und Sozialpolitik realisiert.

Wie es begann und warum es wirkt

Das Prinzip ist einfach: Ältere Menschen mit zu viel Wohnraum teilen ebenjenen mit Studierenden. Statt klassischer Miete gibt es Unterstützung im Alltag – Garten, Einkäufe, mal ein gemeinsamer Kaffee. Die Faustregel besagt, dass pro Quadratmeter im bewohnten Zimmer eine Stunde Hilfe pro Monat geleistet werden sollte. Die Idee kommt aus den 1990ern und wird heute von verschiedenen Studierendenwerken getragen, in München beispielsweise läuft das Programm schon seit 1996.

Dabei steht nicht die Idee im Zentrum, still und heimlich alle Studis zu Ersatz-Pflegekräften zu transformieren, vielmehr geht es um gelebte Nachbarschaft. Projekte wie das der Pro Senectute in Zürich betonen die Wichtigkeit klarer Absprachen, Freiwilligkeit und sozialer Begegnung.

Für Studierende bedeutet das: Wohnraum, der nicht das gesamte BAföG schluckt. Für Senior:innen (oder generell Menschen mit Platz) ist es eine Möglichkeit gesellschaftlicher Integration, Alltagshilfe und einem Gefühl von Verbundenheit, das in vielen Ein-Person-Haushalten schmerzhaft fehlt. Vor allem aber ist es eine selten gewordene Chance, bei der Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern solidarisch kooperieren.

Die schönen Seiten und die realistischen Grenzen

Das Gesamtkonzept klingt warm und weich. Ist es oft auch. Junge Menschen finden Anschluss und Alltagserfahrung jenseits ihrer Bubble, ältere Menschen bleiben aktiv eingebunden. Wer mal erlebt hat, wie viel Lebensfreude entsteht, wenn 72-jährige Rosenliebhaber:innen und 24-jährige Urban-Gardening-Fans zusammen gärtnern, weiß wie sich gelebte soziale Infrastruktur anfühlen kann.

Aber: WfH ist kein Zauberspruch gegen Wohnungsnot. Selbst in Städten mit aktiven Programmen bleiben die Zahlen überschaubar – etwa Zürich, wo das Format laut Medienberichten auf lediglich ein paar Dutzend Wohnpartnerschaften kommt. Plus die Erwartungen müssen passen, Grenzen klar kommuniziert sein, und ja – Menschen müssen einander mögen. Sonst wird aus „solidarisch wohnen“ schnell „akustisches Stress-Experiment mit Putzplan.“

Ein Zukunftsmodell, das jetzt gebraucht wird

Auch wenn WfH nur ein Puzzleteil ist, zeigt es, wie viel Potenzial in gemeinschaftsbasierten Lösungen steckt. In einem Land, in dem ältere Menschen oft zu viel Wohnraum haben und junge Menschen zu wenig, ist Sharing ein simples, pragmatisches Tool mit Vorteilen für beide Seiten.

Damit das Modell weiter wächst, braucht es drei Dinge:

  • professionelle Vermittlung und Beratung
  • klare, faire Verträge und Zeitabsprachen
  • politische Rückendeckung, ohne die Verantwortung abzuschieben

Digital unterstützte Matching-Plattformen mit einer individuellen Logik könnten das Ganze skalieren. Und auch wenn „Wohnen für Hilfe“ kein Ersatz für eine gerechte Wohnungspolitik ist, bietet es eine aktive Mitgestaltungsmöglichkeit. Und vielleicht ist genau das pragmatische Miteinander das, was urbane Räume heute mehr brauchen als die nächste, viel zu teure Dachterrassen-Vision. Ein Zimmer, ein paar Stunden Zeit, zwei Generationen, die sich ernst nehmen – und schon fühlt sich die Stadt vielleicht ein Stück mehr nach Gemeinschaft an.

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